Als das Geld vom Himmel fiel

20th Jan 2010Blog, , , , , ,

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Wie entstehen 442 Milliarden Euro? Ein Knopfdruck genügt!

1,5 Billionen Euro haben die Zentralbanken seit der Finanzkrise erschaffen. Sie gaben sie den Banken, die damit der Wirtschaft wieder auf die Beine helfen sollten. Doch bei Autoherstellern und Maschinenbauern ist das Geld nie angekommen. Wo ist es geblieben?

Sehr lesenswertes Dossier über die Bankenhilfe im Rahmen der Finanzkrise, Quelle: Die Zeit, Nr. 3/2010.Vollständiges Dossier auf www.zeit.de lesenAutoren/Mitarbeit: Kristina Maroldt und Frank SierenPhoto by Steve Wampler, some rights reserved

Wer meint, diese zur Verfügung gestellten Milliarden wären Sparguthaben oder dergleichen gewesen, der irrt gewaltig:

Um kurz nach halb zehn drückt einer der beiden Männer einen Knopf, und etwa zwanzig Seiten Papier schieben sich aus dem Drucker. Das Protokoll für das Präsidium der Zentralbank. Das Dokument einer wundersamen Geldentstehung.Die 442 Milliarden, die an diesem Tag von der Zentralbank zu den Privatbanken fließen, haben zuvor nicht der EZB gehört. Nicht dem Steuerzahler. Und auch sonst niemand. Das Geld ist gewissermaßen vom Himmel gefallen.Die Zentralbank hat es am Vormittag dieses 24. Juni neu erschaffen. Sie braucht dafür keine ratternden Druckmaschinen mehr, es genügt, den gewünschten Betrag auf das Konto zu überweisen, das jede Bank der Eurozone bei der EZB unterhält. Zwölf Monate lang dürfen die Banken das Geld behalten. Dann müssen sie es an die Zentralbank zurückzahlen, und die Konten leeren sich wieder.

Und was ist mit diesem Geld passiert? Haben es die Unternehmen erhalten, um z.B. neue Investitionen tätigen und Arbeitsplätze schaffen zu können? Mitnichten:

1,5 Billionen Euro hatten die Zentralbanken erschaffen, in Amerika, Europa, Japan. Doch kaum ein Unternehmen hat dadurch einen neuen Bankkredit erhalten, kaum eine Firma konnte deswegen neue Arbeitsplätze schaffen, kaum ein Betrieb schaffte es, deshalb wichtige Aufträge zu erlangen. Im Gegenteil. Die Banken haben in den vergangenen Monaten weniger Kredite vergeben. Manche Finanzhäuser haben das billig geliehene Geld in Wertpapieren angelegt. Andere scheuten selbst dieses Risiko und ließen es auf ihren Konten bei der Zentralbank liegen.So kommt es, dass sich das neue Geld nicht in neue Produkte verwandelte, wie EZB-Direktor Lorenzo Bini Smaghi hoffte. Sondern in höhere Preise.Das Geld der Zentralbanken hat dazu geführt, dass Rohstoffe, Aktien und Immobilien teurer wurden. Es ist jenen zugutegekommen, denen die Aktien und die Häuser gehören. Es hat die Gewinne derer erhöht, die das Öl produzieren. Das Gold. Den Zucker. Den Orangensaft. Und das Kupfer.

Naja, wenigstens wurde ja angeblich das Finanzsystem grundlegend reformiert, damit derartige Krisen nicht mehr auftreten oder?

Es gibt in den Bankentürmen wieder hohe Boni zu kassieren. Die amerikanische Investmentbank Morgan Stanley will ihre Angestellten für das Jahr 2009 mit insgesamt 11,9 Milliarden Dollar prämieren, Goldman Sachs sogar mit 20 Milliarden. Nach Berechnungen der amerikanischen Zeitung Wall Street Journal zahlen allein die 23 größten amerikanischen Banken ihren Mitarbeitern in diesem Jahr Gehälter in Höhe von 95 Milliarden Dollar. Das sind zehn Milliarden Dollar mehr als im bisherigen Rekordjahr 2007 und über 20 Milliarden Dollar mehr als im Krisenjahr 2008.

Man könnte jetzt natürlich einwerfen, dass diese Prämien wieder in die Wirtschaft retour fließen und so z.B. auch Arbeitsplätze schaffen. Dem ist aber immer weniger so:

Die Zahl der sogenannten Ultra High Net Worth Individuals hat sich zwischen 1997 und 2007 mehr als verdoppelt. Das sind Menschen, die ein Finanzvermögen von mehr als 30 Millionen Dollar haben. Der Börsencrash vom vergangenen Herbst 2008 hat ihren Wohlstand vorübergehend geschmälert. Jetzt steigt er wieder.Die massenhafte Existenz dieses neuen ökonomischen Typs des Superreichen wäre nicht weiter schlimm, solange die Billionen ausgegeben würden, für Autos, Häuser, Schmuck, was auch immer. Dadurch würden neue Arbeitsplätze entstehen. In der Praxis aber ist nach dem zehnten Haus, dem zwanzigsten Auto meistens Schluss.Die restlichen Millionen bleiben also auf Konten liegen, verwandeln sich in Aktien, Anleihen oder sonstige Wertpapiere und Spekulationsobjekte und pusten die Blasen an den Börsen weiter auf. In der Sprache der Wirtschaftswissenschaftler: Es wird nicht konsumwirksam.Nun ist es aber so, dass der Kapitalismus nichts so sehr braucht wie den Konsum. Irgendjemand muss all die Autos, Kühlschränke, Flachbildschirme, Fotoapparate und Plastikpuppen, die jeden Tag auf der Welt produziert werden, kaufen. Nur wer?

Heißt das jetzt, es wäre besser gewesen, wenn die Zentralbanken keine Kredite vergeben hätten?

Nichts davon wäre anders, hätten die Zentralbanken darauf verzichtet, den Privatbanken billiges Geld zu leihen. Im Gegenteil, viele Finanzhäuser wären zusammengebrochen und hätten Konzerne und Kleinbetriebe mit sich gerissen. Und doch hat es etwas Ernüchterndes, zu sehen, dass der Großteil des Zentralbankgeldes in den Händen der Banker und Finanzmanager verblieben ist. Dass es sich kaum in neue Produkte, Löhne, Arbeitsplätze und Steuergelder verwandelt hat.

OK, aber wenigstens gibt es Konjunkturpakete und dergleichen, durch die auch die „normalen“ BürgerInnen profitieren werden oder?

1,5 Billionen Euro haben sich die Privatbanken in den vergangenen Monaten geliehen, von der Europäischen Zentralbank in Frankfurt, von der Federal Reserve in New York, von der Bank von Japan in Tokyo. Mit einem Teil dieses Geldes kaufen sie nun die Anleihen der Bundesrepublik. Das Geld finanziert die Abwrackprämie, die Kurzarbeit, die Rettung der Wirtschaft. Es hält den Kapitalismus am Leben.Jedes Jahr wird der Staat dafür zahlen müssen. Jeden Tag, jede Woche, jeden Monat werden Zinsen fällig. Dann machen die Banken ein gutes Geschäft.Sie sind es, die die Zinsen kassieren. Allein an den Papieren, die Carl-Heinz Daube an jenem 11. November ausgibt, verdienen sie fast zwei Milliarden Euro.Am Ende gewinnt immer die Bank.

Na super.